Über Eltern-Kind-Entfremdung und seine Folgen
Vater Gedanken
Selbst in größtem persönlichem Schmerz versuchte ich, für die beiden da zu sein. Ja, für beide. Ich verstand ja die Trennung noch gar nicht und wollte alles für meinen Sohn tun.
Heute versuche ich das erste Mal überhaupt die Geschichte meines Sohnes aufzuschreiben, unsere Geschichte. Dabei werde ich versuchen, so viele Aspekte wie nötig und möglich darzustellen, die nun seit mehr als 15 Jahren unser Leben bestimmen. Namen (außer meinen eigenen) werde ich keine nennen, denn es geht mir darum, hoffentlich ein Gesamtbild vermitteln zu können – eine Geschichte wie sie leider tausendfach so oder noch schlimmer stattfindet in Deutschland. Vielleicht ein kleines Fazit vorab: unser Familienrecht ist wirklich krank.
Mein Name ist Thomas, ich bin 44 Jahre alt und Vater eines mittlerweile 16 jährigen Sohnes. Die Beziehung zur späteren Mutter (mit der ich früher 13 Jahre in eine Klasse ging) war von relativ kurzer Dauer. Insgesamt etwas über 2 Jahre. Kurz vor seinem 1. Geburtstag wurde mir mitgeteilt (für mich zu diesem Zeitpunkt völlig überraschend), dass die Beziehung beendet sei.
Was bedeutete das?
Ich stand da plötzlich vor diesem kleinen Menschen und wusste gar nicht, wie mir geschieht. Ich umarmte ihn unter Tränen und ging. Den Weg, den ich jetzt im Folgenden versuche zu beschreiben.
Ich war von einem auf den anderen Moment als junger Vater mit einer Situation konfrontiert, die ich mir niemals hätte vorstellen können. Das hat mir regelrecht den Boden unter den Füßen weggezogen. Dass der Umgang mit dieser Situation die nächsten Jahre mein Leben bestimmt, fast meine gesamte Energie raubt, war mir zu diesem Zeitpunkt, als der ‚Hammer massiv zuschlug‘ gar nicht bewusst. Fortan bemühte ich mich, meine neue, mir zugeteilte Rolle irgendwie anzunehmen.
Selbst in größtem persönlichem Schmerz versuchte ich, für die beiden da zu sein. Ja, für beide. Ich verstand ja die Trennung noch gar nicht und wollte alles für meinen Sohn tun. Natürlich stand zu diesem Zeitpunkt auch das beiderseitige Bekenntnis im Raum, dass der Sohn auf keinen Fall unter der Trennung leiden soll und wir alles dafür tun werden, dass er unser Versagen nicht ausbaden muss. Was dieses Bekenntnis allerdings wert war, zeigte sich erst nach und nach.
Ergänzend, und aus heutiger Sicht auffällig, ich durfte schon vor der Trennung meinem Sohn nur nah sein, wenn seine Mutter das zuließ. Übernachtungen in ihrer gemeinsamen Wohnung (ich wohnte damals in einer anderen Stadt zwecks Ausbildung), waren zum Beispiel kaum noch erwünscht. Ich versuchte bei alltäglichen Dingen ebenso zu helfen wie auch bei der in den Startlöchern stehenden Selbstständigkeit der Mutter.
Die Vorahnung
Probleme in der Beziehung zwischen Mutter und Kind waren damals eigentlich schon deutlich wahrzunehmen (nur fehlte mir da noch der nötige kritische Blick darauf). Sie gestand mir mal nach der Trennung, dass sie das Kind eigentlich gar nicht wollte, weil sie alle Energie und Zeit in ihre Selbstständigkeit stecken wollte.
Das stand auch in den Folgejahren über allem, das wird im Laufe meiner Erzählung noch deutlich. Ich kann auch nur darüber schreiben, was ich in der wenigen gemeinsamen Zeit überhaupt mitbekommen hatte damals. Was da noch lief, weiß ich nicht. Aber welche Probleme meine ich eigentlich?
Da wären Nähe-Verweigerung und emotionale Kälte bei Streitsituationen. Beispiel: Konflikt Mutter/Kleinkind, Kind weint, sucht Nähe zur Mutter, wird (auch körperlich) zurückgewiesen „Geh in Dein Zimmer, ich will das jetzt nicht“, mit ‚das‘ meinte sie die Versöhnungsversuche. Kind liegt auf Boden vor Mutter, die am PC weiterarbeitet und weint sich leer… während mir untersagt wurde, mit Nähe zu intervenieren. Das so wichtige Urvertrauen wurde öfter missbraucht. Es fielen unfassbare Sätze wie „Wenn das jetzt nicht funktioniert, setze ich dich am Wald aus.“ (Anm. sie erzählte mir, wie ihre eigene Mutter früher wo sie selbst Kind war, Einestages die gepackten Kinderkoffer in den Flur gestellt hatte und ihr und ihrem Bruder drohte, sie kämen jetzt ins Kinderheim. Und obwohl sie das damals als große Bedrohung empfand, sagte sie sowas zu unserem Sohn!). Anderes Beispiel zum Urvertrauen, Kindergartenalter, sie gab Malkurse für fremde Kinder in seinem Kinderzimmer. Gab es vorher irgendeinen Konflikt, durfte er selbst nicht mitmachen, musste alleine in der Stube warten, während die fremden Kinder in seinem Zimmer mit seiner Mutter malen und Spaß hatten…
Ausgrenzung eines Vaters
In dieser Zeit wurde auch die Situation zwischen der Mutter und mir immer schwieriger. Eine eigene Meinung zu gewissen Vorgängen war nicht erwünscht und so begann die zunehmende Sanktionierung der Beziehung zwischen meinem Sohn und mir. Das bedeutete in diesem Fall zunehmende Ausgrenzung meinerseits aus seinem Leben. Schon damals entfernte sie sich komplett vom vormals gemeinsamen Anspruch, das Wohl des Kindes über allem. Es ging und geht letztlich bei allem nur um sich selbst, nicht um das Wohl des Kindes. Wie sah das konkret aus? Wir frühstückten nach der Trennung jeden Samstag zu dritt in der Wohnung von Mutter/Kind, um so etwas wie eine Gemeinschaft zu leben. Es dauerte nicht lange, dann wurde völlig willkürlich aufgrund einer Meinungsverschiedenheit das gemeinsame Frühstück gestrichen. Wie sie das dem Kleinkind gegenüber begründete, weiß ich nicht.
Sicher aber war ich daran schuld, weil bei einer Person mit mindestens narzisstischen Persönlichkeitszügen (wie mir erst nach und nach bewusst wurde) IMMER andere schuld sind.
Durfte ich mich zu diesem Zeitpunkt bei Besuch noch frei in der Wohnung bewegen, die ich 6 Monate vorher hergerichtet hatte, so wurde auch das sanktioniert bei der nächsten Meinungsverschiedenheit. Fortan durfte ich nur noch sein Kinderzimmer betreten.
Schulzeit
Später zu Schulzeiten habe ich das so auf Arbeit geregelt, dass ich jeden Montag 100km zu ihm gefahren bin um zusammen in seinem Zimmer Hausaufgaben zu machen / zu üben. Bis mir Einestages als nächste Stufe der Ausgrenzung der Zutritt zur Wohnung gänzlich verweigert wurde. Welche Problemlage sich da unterm Strich bereits aufgebaut hatte – von der ich ja teilweise gar nichts mehr mitbekam – wurde mit Eintritt in die Schule richtig deutlich. Der Sohn hatte in der 1.Klasse eine sehr engagierte, erfahrene Lehrerin. Durch die ganze Vorgeschichte traten natürlich Verhaltens- und Lernprobleme nun ans Tageslicht. Damals ‚durfte‘ ich seitens der Mutter sogar an Elterngesprächen teilnehmen. [Kurzer wichtiger Einschub: die Vaterschaft habe ich ganz natürlich anerkannt bei Geburt meines Sohnes. Mehr Rechte hatte man als Vater leider nicht. Das gemeinsame Sorgerecht wollte mir die Mutter nicht zugestehen.
Das so hinzunehmen war aus heutiger Sicht ein riesiger Fehler meinerseits, nur machte ich mir doch zu diesem Zeitpunkt keinerlei Gedanken darüber, weil doch alles noch so wunderbar glücklich schien, das Bild einer gemeinsamen Familie im Kopf, wo so etwas wie Sorgerechtsfragen erst mal gar [nicht relevant sein sollten.] Die Lehrerin erkannte mit Ihrer Erfahrung relativ schnell, dass es anhand der nichterfüllten gemeinsamen Zielstellungen vor allem an Unterstützung von zu Hause fehlte. Sei es beim Erledigen der Hausaufgaben, beim Ranzen packen oder bei fördernden Unterstützungen zu Hause. Das gute war, die Lehrerin stellte nicht bloß Forderungen an die Mutter, sondern reflektierte auch deren Umsetzung. So kam es, wie es kommen musste – zur offenen Konfrontation zwischen Mutter und Lehrerin.
Aufsichtsbeschwerde gegen die Lehrerin seitens der Mutter
Die Lehrerin machte einen entscheidenden Fehler, indem sie (als der Sohn wegen massivem Stören des Unterrichts seitens der Mutter vorzeitig abgeholt werden sollte) vor der Mutter und dem Sohn die Klasse befragte, ob sie das auch so sehen, dass mein Sohn den Unterricht störte. Das wurde prompt zum Anlass genommen, mithilfe der Oma meines Sohnes (die eine leitende Position im Schulamt des Landkreises besetzt), eine Aufsichtsbeschwerde gegen die Lehrerin durchzusetzen und einen Schulwechsel noch vor Ende der 1.Klasse zu forcieren.
Überhaupt kehrt dieses Verhaltensmuster immer wieder: sobald die Luft für die Mutter und ihre selbst konstruierte „Wahrheit“ dünn wurde, folgten Angriff, Rückzug, Verweigerung, Sanktionierung (hier wieder typisch narzisstisches Verhalten).
Zudem wurde das Problem dem Kind eindimensional aus Sicht der Mutter vermittelt, was ich später aus Gesprächen mit dem Sohn mitbekommen (‚böse Lehrerin‘, ‚wurde an den Pranger gestellt‘). Logischerweise trat keinerlei Besserung nach Schulwechsel ein. Wie auch, wenn die Ursachen nicht verändert wurden.
Im Gegenteil, extrem verweigerndes auffälliges Verhalten wie Ohren zuhalten, Tiergeräusche, unter den Tisch kriechen waren jetzt an der schulischen Tagesordnung. Ich suchte das Gespräch mit der neuen Klassenlehrerin und dem Schuldirektor, versuchte auf das große Ganze, was im Hintergrund ablief, aufmerksam zu machen. Ich wurde zu diesem Zeitpunkt nicht ernst genommen, so zumindest mein Gefühl.
Impulse des Vaters wurden ignoriert
Meine Initiative, die der Mutter natürlich quer lief, wurde damit sanktioniert, dass ich fortan keine Informationen mehr aus der Schule erhielt, da die Mutter dort extra darauf aufmerksam machte, dass ich kein Sorgerecht für das Kind hatte. Die Dinge nahmen bzgl. seiner Schullaufbahn ihren negativen Lauf. Bereits in der 2. Klasse wurde bei meinem Sohn sozial-emotionaler Förderbedarf diagnostiziert.
Mit den einhergehenden gezielten Fördermaßnahmen der Schule wurde zumindest sein extremes Verhalten im Kontext Unterricht ganz langsam abgebaut. Das Problem daran war und ist, zuhause brachte das kaum/keine Veränderungen, nötige Unterstützung blieb weitestgehend aus, bis heute. Meinem Sohn wurde seine gesamte Schullaufbahn von allen Seiten immer bescheinigt, was für ein riesiges Potential doch in ihm stecke, er hat das größte Allgemeinwissen der Klasse, hätte definitiv das Zeug für eine Schullaufbahn über das Gymnasium, wenn er nur im Schulsystem ‚funktionieren‘ würde.
Ich kann das, um ehrlich zu sein, nicht mehr hören. Denn wie oft habe ich gleich einem Rufer in der Wüste darauf aufmerksam gemacht, dass grundlegende Veränderungen im häuslichen Kontext von Nöten sind, damit er auch nur annähernd sein Potential überhaupt ausschöpfen könnte.
Handlungsunfähige Schule
Doch immer wurde nur auf den Jungen geschaut, das Problem bei ihm veräußert (Lernverweigerung, auffälliges störendes Verhalten), trotz meiner kritischen Denkanstöße, den Ursachen auf den Grund zu gehen – ich wurde immer ignoriert (typische Reaktion Schule: „da sind uns die Hände gebunden, solange keine sichtbaren physischen Misshandlungen vorliegen“ etc.). In gemeinsamen Gesprächssituationen wie Elterngespräche verstand es die Mutter, sich immer gut darstellen (perfekte Selbstdarstellung gehört zu ihren main-skills), was sie doch alles für „tolle Deals“ mit ihm geschlossen habe usw. [Anm.: überzogene Sanktionierung waren wesentliche Bestandteile dieser Deals, von Androhung und Durchsetzung Handyentzug teilweise über Wochen – damit einhergehend Kommunikationsentzug zum Vater- bis hin zur Androhung, dass er ansonsten in eine spezielle Klinik muss, wo solche Kinder wie er ‚behandelt‘ werden]. Nichts davon hatte lange Bestand, keine Kontinuität zu Hause, ihm fehlte seine ganze Schullaufbahn Support.
Einfache Dinge fielen unserem Sohn schwer
Er konnte ewig lange nicht mal Schuhe zubinden oder die Uhr lesen. So profane Dinge. Aber auch die elementaren Grundlagen für eine erfolgreiche Schullaufbahn wurden nicht vermittelt. Er hat das Lernen nie gelernt, kann sich bis heute überhaupt nicht selbst organisieren, nicht lange konzentrieren, sich überhaupt Problemen zu stellen und hartnäckig an der Lösung zu arbeiten fällt ihm wahnsinnig schwer. Die ganz ‚normalen‘ Dinge eigentlich, die man seinen Kindern vermittelt, neben bedingungsloser Liebe und Rückhalt. Der Junge, der „auf jeden Fall das Potential fürs Gymansium“ hat kämpft bis heute jedes Schuljahr gegen das Sitzenbleiben. Steht kurz vor dem noch nicht sicheren Abschluss auf Hauptschulniveau, flüchtet sich am liebsten in virtuelle Gamingwelten. Und mir blutet das Herz als Vater, während ich das hier aufschreibe…
Die Schule ignorierte mich ohne gemeinsames Sorgerecht
Ich wurde zu lange seitens der Schule ignoriert (das änderte sich erst langsam, nachdem ich das gemeinsame Sorgerecht durchgesetzt hatte und mich noch massiver einbringen konnte). Erst später, durch jahrelange Leistungsdefizite, wurde ich und das was ich gesagt hatte überhaupt ernst genommen. Und umso mehr ich dort eingebunden wurde seitens Schule, desto stärker verweigerte die Mutter sich auch dort. Auch in der neuen Schule gab es, wie ich in einem vertraulichen Gespräch mit dem Direktor erfuhr, wieder mithilfe der Oma eine Anzeige gegen Schuldirektor, da er immer deutlicher Veränderungen und Unterstützung von zu Hause einforderte.
Zuckerbrot und Peitsche seitens der Mutter
Ihren Erziehungsstil prägte, soweit ich das beurteilen kann, immer ein Zuckerbrot & Peitsche-Prinzip. Eine ständige Gradwanderung für meinen Sohn zwischen kurzen Momenten starker, liebevoller Zuwendung und harten Sanktionen, Drohungen und Abweisungen, wenn er nicht funktionierte. Bei Konflikten war immer er schuld, genau wie früher ich. Wenn es passte für die Mutter, wurde der Junge auch manipuliert, darauf komme ich gleich noch zurück. Das Verhältnis zu mir wurde immer komplizierter, umso mehr ich mich einbringen wollte.
Informationsverweigerung
Irgendwann erhielt ich keine Infos mehr, weder über Schule noch über Besuche bei irgendwelchen Psychologen, die den Jungen offenbar ‚mal schnell ganzmachen‘ sollten. Da ich diese Informationsverweigerung nicht mehr hinnahm, wendete ich mich an das Jugendamt.
Das gemeinsames Sorgerecht gerichtlich einklagen
Dort wurde mir geraten, aufgrund einer neuen Gesetzeslage, das Sorgerecht von ihr einzufordern und bei Verweigerung ihrerseits, das über ein Gerichtsverfahren einzuklagen. Ich schrieb ihr also 3 Briefe, mit immer neuen Fristen, das von mir beim Jugendamt bereits erklärte gemeinsame Sorgerecht ebenso anzuerkennen. Ich erhielt auf keinen eine Antwort. Erst nachdem ich, auf Anraten des Jugendamtes, ein Sorgerechtsverfahren beim zuständigen Gericht einleitete, war sie plötzlich bereit das gemeinsame Sorgerecht anzuerkennen, um das Gerichtsverfahren im letzten Moment abzuwenden.Leider hatte das auch negative Folgen, nämlich eine komplette Eskalation in der zwischenmenschlichen Beziehung zu mir.
Konsequenz nach der Einforderung des gemeinsamen Sorgerechts
Geredet wurde fortan gar nicht mehr miteinander, und die Manipulation meines Sohnes nahm ganz neue Züge an. Da aber die Schulsituation und auch der weiterhin bestehende sozial-emotionale Förderbedarf eine Kommunikation der Eltern erforderlich machte, versuchte ich mithilfe des Jugendamtes eine Art Mediationsgespräch anzuschieben.
Umgangsvereinbarung
Wir erreichten zumindest eine Umgangsvereinbarung (mehr wie 14-tägiges Umgangsrecht am Wochenende, wobei alle wichtigen Feiertage der Mutter zugeschrieben wurden, wurde mir allerdings nicht zugestanden).
Aber auch hier wurde dieser Versuch meinerseits, ins Gespräch zu kommen, seitens der Mutter abrupt abgebrochen, weil ich mehr Unterstützung zu Hause für eine Positivwende in der Schule einforderte. Von der Mitarbeiterin des Jugendamtes wurde ich mit den Worten, die bis heute auf meiner Seele brennen, nach Hause geschickt „Wir können da leider nicht mehr machen, wenn die Mutter das nicht will. Die Gerechtigkeit, die sie suchen, werden sie leider nicht finden. Ich kann ihnen aber gerne einen guten Psychologen empfehlen, der ihnen bei der Bewältigung ihres Schmerzes helfen kann.“ Ich meine, WTF?! Nicht nur das hier alles auf dem Kopf gestellt wurde, denn normalerweise hätte die Mutter psychologische Unterstützung dringend nötig gehabt, ich wurde auch in meiner Rolle und Bedeutung als Vater seitens des Jugendamtes völlig kleingemacht und negiert. Zuhause erzählte die Mutter unserem Sohn dann auch noch (wie ich aus einem späteren Gespräch mit ihm erfuhr), dass sein Vater eh zum Psychiater (!) muss. Zu diesem Zeitpunkt wirkte ihr ‚Gift‘ allerdings gar nicht mehr, denn längst waren mein Sohn und ich im Herzen verbunden. Menschen spüren halt, insofern noch eine gewisse Nähe möglich ist, wer es ehrlich mit ihnen meint…
Endlich wurde ich einbezogen
Mit dem Sorgerecht musste ich jetzt natürlich bei gewissen Dingen einbezogen werden. Zum Beispiel regte das Jugendamt an, dass sich die Mutter bzgl. der immer schwieriger werdenden schulischen Situation an eine renommierte Fachärztin für Jugendpsychiatrie und –psychotherapie wenden soll. Das erste Mal wurde ich in diesen gesamten Prozess dort seitens des Therapeuten einbezogen.
Das erste Mal hörte mir jemand aufmerksam zu. Er kam zu dem Schluss, dass es für unseren Sohn nur zu einer wesentlichen Verbesserung kommen kann, wenn alle Beteiligten (beide Eltern, Klassenlehrerin, Schulpsychologin) sich zusammenfinden, um gemeinsam eine sinnvolle Veränderung seines Lebensbackgrounds und damit auch für den Schulkontext zu schaffen.
Abbruch der Therapie seitens der Mutter
Der erste Mensch, der das ganze Problem genauso öko-systemisch betrachtete, wie ich. Der erkannte, dass das eine ohne das andere gar nicht möglich ist. Das was ich seit Jahren versuchte vergeblich an die Beteiligten anzubringen. Nachdem er der Mutter offerierte, dass er diesen gesamten Prozess nur durchführen werde, wenn alle bereit sind, gemeinsam das Problem zu erörtern und gemeinsam grundlegende Veränderungen zu schaffen, brach sie die Therapie einfach ohne ein Wort ab.
Nachfrage beim Jugendamt
Auf meine Nachfrage bei Jugendamt, wie das möglich ist, gab es nur Schulterzucken. Überhaupt wurde unserem Sohn beim Jugendamt kaum Hilfe zu Teil. Auf meine Anfrage, ob es nicht Möglichkeiten eines familienunterstützenden Dienstes gäbe, um die häusliche Situation zu verbessern wurde mir explizit von solchen Schritten abgeraten. Sie würden nur zur weiteren Eskalation führen, es könnte zu Prüfverfahren kommen, die letztlich dazu führen könnten, dass beiden Eltern aufgrund der unüberwindbaren Kommunikationsverweigerung (Anm. ich war IMMER um Kommunikation bemüht!) die Führsorgefähigkeit in Frage gestellt werden könnte. Und das kann man schon als Drohung wahrnehmen, ‚halten sie mal besser die Füße still, sonst kann das für ihren Sohn unvorhersehbare Folgen haben‘. Das ist auch die Antwort auf die Frage, die auch ich mir selbst oft stellte, warum ich nicht mit härteren rechtlichen Bandagen gekämpft habe.
Jugendamt rät zum Nichtstun
Weil in unserem Familienrechtssystem leider alles möglich ist. Und wer setzt sein Kind, was ohnehin schon ein schwieriges Leben führt, unvorhersehbaren Folgen aus? Unterm Strich sehe ich ein komplettes Versagen des Jugendamtes, auch teilweise der Schule. Das nähere Umfeld der Mutter (z.B. die Oma) wurde einseitig manipuliert. Kann ich ihnen deswegen einen Vorwurf machen, meine Antwort ist nein. Diese Manipulations-Konstrukte wurden mir in einer bestimmten Situation so richtig bewusst, als mal eine Übergabe zur Umgangszeit eskalierte, und der Sohn nicht zu mir rauskommen durfte solange sein Zimmer nicht aufgeräumt war. Die Oma versuchte irgendwie zu deeskalieren, und da fielen dann mir gegenüber so Sätze wie „aber sie hat dir doch auch das Sorgerecht gegeben“. Ich dachte ich höre nicht richtig. Ich habe die Oma erst mal aufgeklärt, dass das eine glatte Lüge ist, erst auf Schreiben des Gerichts überhaupt reagiert wurde, und ich alles was ich sage, belegen kann. Schließlich steht leider zu Hause bei mir ein Ordner voll mit Sorgerechts- / Jugendamt- / Schul- / Psychologenangelegenheiten, wo alles dokumentiert ist.
Die wenige Zeit miteinander
In der wenigen Zeit, die ich mit meinen Sohn verbracht habe und verbringe, habe ich nur wenige Möglichkeiten, ihm in der Tiefe und Breite zu helfen. Da sind ganz viele weißen Flecken, die niemand mehr wiederbringen kann. Ich weiß im Prinzip sehr wenig von ihm, wie es in seinem Innersten ausschaut. Er lässt von selbst kaum was von dem raus, was ihn im Innersten bewegt. Gespräche in diese Richtung meinerseits würgt er schnell ab.
Herzschmerz
Das tut meinem Herz und meiner Seele bis heute weh. Wir haben trotz allem ein gutes, liebevolles und enges Verhältnis. Sind enge Freunde. Nimmt er mich als seinen Vater in Gänze war? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Wir durften ja beide nicht erleben, was eine gute Vater-Sohn-Beziehung unter normalen Umständen bedeutet. Wie wenig ich am liebsten Vater sein sollte, wird deutlich bei einer Aussage seiner Mutter, auf meinen Einwand Einestages, wie wichtig ein Vater als Vorbild für das gesunde heranwachsen eines Jungen ist: „Aber er hat hier seinen Opa und seinen Onkel.“ Ich habe immer versucht, ihn zu bestärken, ihm Rückhalt zu geben, habe ihn immer dazu aufgefordert, dass er bitte niemals meine Meinung einfach übernehmen soll. Ebenso nicht die seiner Mutter. Habe ihm immer gesagt, dass er teilweise sicherlich zu Hause und bei mir ganz verschiedene Dinge hört, zu ein und demselben Thema. Dass es aber immer wichtig ist, sich seine eigene Meinung zu bilden. Ich kann von mir sagen, dass ich bis heute unsere Vereinbarung von ganz am Anfang gefolgt bin, alles im Sinne des gemeinsamen Kindes. Auch wenn das viel persönliches Leid mit sich gebracht hat. Ich habe niemals schlecht über seine Mutter geredet, habe niemals versucht, ihn zu manipulieren. Ich möchte doch nichts mehr, als dass er seinen selbstbestimmten Platz im Leben findet und irgendwie glücklich wird…
Abschließende Worte
Ich möchte kurz noch denen danken, die in meiner Erzählung jetzt viel zu kurz kamen. Weil diese Geschichte hier ist nur meine Dimension. Doch das gesamtgesellschaftliche Problem, was in sozialen Medien (unter Hashtags wie #BesserBeideEltern, #ElternKindEntfremdung, #ParentalAlienation, #MyChildToo oder #Wechselmodell) und in der öffentlichen Diskussion endlich auch zunehmend ins Bewusstsein rückt, ist ein absolut mehrdimensionales. Entfremdung betrifft nicht nur das Kind und mich als Vater (auch Mütter sind zunehmend betroffen), sondern auch die Großeltern und die Verwandten, die kaum etwas bis gar nichts von ihrem Enkel/Cousin/Nichte etc. erleben dürfen. Und letztlich damit die halbe Identität der betroffenen Kinder. Das ist psychischer Missbrauch. Ich danke vor allem auch meiner Frau, die das ganze Leid hautnah miterlebt und mir so den Rücken stärkt, immer wieder, dass ich nicht als gebrochener Mann zurück geblieben bin, dass mein Sohn nicht ohne Vater aufwachsen musste – wenn auch nur zeitlich begrenzt und meistens auf Distanz. Jeder dieser Menschen könnte hier seine ganz eigene Geschichte erzählen, die ganz sicher ebenso traurig und erschütternd ist auf die ganz eigene Weise. Würde ich alles genauso wieder machen, trotz dem Bewusstsein, was das unter dem Strich an Leid und Entbehrung kostet? Das meiste schon, auf jeden Fall. Jeder einzelne Moment mit meinem Sohn war es wert. Ich bin sehr froh, dass das Gift der Entfremdung bei uns nicht zur Trennung geführt hat. Ich weiß, dass es bei anderen leider noch schlimmer verlief, weil wir auch allein gelassen werden von der Politik, von den zuständigen Behörden…
(T.Z. im Januar 2021)
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